Aus: Münchner Merkur - Erdinger Anzeiger,
16. Juli 1999
Üppige Natur ist der Meister der Kunst
In seinem Garten in Pretzen läßt
sich der Künstler
und Erfinder Josef Moser zu Objekten und Projekten inspirieren.
Von Petra Derleith
Pretzen - Den lieben Tag lang Hosianna
singen und einzig Manna zur Stärkung? Dann doch lieber den Herrgott
einen lieben Mann sein lassen und in der Hängematte liegend einen rustikalen
Kanten selbstgebackenes Brot aus dem Steinbackofen.
Josef Moser hat sich auf Erden, mitten in Pretzen,
seinen von zwei Engeln bewachten Himmel geschaffen. Ein in 30 Jahren gewachsener
Dschungel, hinter dem sich bei näherer Betrachtung ein System und jede
Menge Arbeit entdecken lassen. Hier also holt sich der Künstler und
Erfinder seine Inspiration. Kürzlich wurde der Garten Eden heimgesucht.
Sieben- bis achthundert Besucher haben sich durch diese faszinierende Wildnis
geschlagen, sich nach Schätzung des Hausherrn, der mit 50 Gästen
rechnete, als er sich anbot, am Tag des offenen Gartentors sein Reich zu
zeigen. "Ich bin hin und her und weg", freut sich eine Dame aus Markt Schwaben,
daß sie sich doch noch aufgerafft und auf den Weg nach Pretzen gemacht
hat. Nur Armin Witt von der Gesellschaft für außergewöhnliche
Ideen tritt von einem Bein aufs andere, erinnert die Hobby-Botaniker
unter seinen Tüftler-Kollegen, daß sie weniger zum Rundgang durch
den Garten als zur Werkstattbesichtigung zusammengekommen waren. Doch selbst
die zerstreuten Professoren sind völlig gefesselt und können sich
der Faszination dieser grünen Oase nicht entziehen.
Vor über 30 Jahren hat Moser die 2000 Quadratmeter von den Eltern bekommen
und seither das Ackerland kultiviert. Außer zum Unkrautzupfen im Gemüsebeet
habe schon dem kleinen Josef die Gartenarbeit niemand anschaffen müssen.
In seinem Pretzener Paradies hat Moser anfangs "aus dem Bauch heraus" experimentiert
und Riesenfehler gemacht. Seine Erkenntnis: "Ich muß mich nach dem
richten, was geht."
Der Übergang zwischen Natur, Kunst und praktischer Erfindung ist bei
Moser fließend. Dies mußte nach der Erzählung des Pretzeners
auch der damalige Bürgermeister Gerd Vogt feststellen, als er es Moser
verbieten wollte, eine Windanlage aufzustellen. Da habe er sein Werk zur
Kunst erklärt, erinnert sich der Tüftler: "Vogt konnte nicht beweisen,
daß sich Kunst nicht bewegen darf." Auf Schritt und Tritt fällt
Moser eine Anekdote ein. Mag er auch der Wahrheit ein Quentchen Dichtung
hinzufügen: Den Geschichten tut's keinen Abbruch. Während seiner
Ausführungen, eine Linde erneuere sich stets von innen heraus, winkt
plötzlich der Schalk in seinen Augen. Vor 15 Jahren habe er die ruinenhafte
"Gerichtslinde" gerettet. Als in Künstlerkreisen ruchbar geworden sei,
daß er, Moser, das Naturdenkmal von der Stadt erworben habe, sei ein
namhafter Erdinger Maler auf ihn zugestürmt: "Du kriegst die Linde nicht!".
Das - offiziell nie bestätigte - Geschäft sei planmäßig
geplatzt. Gottlob, denn Mosers Garten ist bis in den letzten Winkel genutzt.
Als die Gerichtslinde nun tatsächlich dem Bagger anheim fiel, hielt
sich Moser ruhig: "Ein zweites Mal hätte der Trick nicht funktioniert."
Man betritt Mosers Garten nicht einfach durch das Tor, sondern muß
erst einmal das kleine Türl im rechten Winkel daneben finden. Der Eingang
in ein kleines Labyrinth mit schmalen, gekiesten Wegen, die keine Kanten
haben, über eine Brücke direkt zum Haus oder doch in einem kleinen
Bogen ums malerische Biotop herum.
Nach der Tür dreht man sich um 90 Grad nach links. Hier offenbart sich
gleich die Natur als Künstler. Weil sie unmittelbar an einer Güllegrube
gestanden war, habe die Harnsäure den Stamm bizarr zerklüftet,
verrät Moser, daß man neben einer Esche steht. Der Hausherr hat
ihr lediglich ein Schindeldach aufgesetzt. Moser könnte in seinem Garten
fast leben hätte er mittlerweile einen Draht zu Gemüse gefunden.
Denn er hat sogar eine Dusche mit fließend warmem Wasser. Er nutzt
seit 20 Jahren ein einfaches Prinzip. Auf einen Wassertank türmt Moser
das gehäckselte Grüngut aus seinem Garten (soweit nicht anderweitig
verarbeitet wie die Reste des letzten Christbaums in einem Mobile). Beim
Kompostieren entsteht Wärme bis zu 90 Grad. Eines Tages, wenn die Rampe
zum Großtank aufgeschüttet ist, soll das ganze Haus mit diesem
Bioheizwerk versorgt werden.
Der Brotbackofen und eine Feuerstelle, über der das einstige, mittlerweile
berankte Gestell einer Windanlage als Grillrost hoch aufragt, sind Wärmequellen,
falls es unter dem dichten Bewuchs auf der "Schattenterrasse" zu kühl
wird. Oder aber, man wandert einfach eine Etage höher auf die "Sonnenterrasse".
Ohnehin wäre es schade, nicht mehrmals den Platz zu wechseln. Zum einen
gibt es beim Lustwandeln allerhand Kurioses zu entdecken. Von diversen Sitzgelegenheiten
(darunter eine ehemalige Weinpresse), über einen völlig durchlöcherten
Stein aus dem Jurameer, der mit Schnee aussehe wie der Watzmann mit seinen
Sieben Kindern, bis hin zu der 16 Quadratmeter großen Terrasse, auf
der man seine Durchblutung auf Vordermann bringen kann. Die Platten waren
einmal die spitz zulaufenden Abdeckungen von Säulen. "Und jetzt ist's
ein Objekt", lacht Moser. Durch die Löcher eines Granitblocks, aus
dem fünf Walzen für die Papierherstellung herausgeschossen wurden,
also eigentlich ein Abfallprodukt, zaubert die Sonne tanzende Kreise auf
die kleine Grünfläche. Sogar einem Gartenzwerg gewährt er
Asyl, aber nur, weil er eine Zipfelmütze hat. Den Garten und die Kunst
dürfe man nicht so ernst nehmen. Im Mittelpunkt allerdings steht "Madame",
die das Licht plötzlich hell erstrahlen läßt. Überhaupt
spielt die Sonne nach Kräften mit Mosers Garten. Hier hat der Künstler,
der mit dem Ausschneiden viel Zeit verbringt, um Sichtachsen offen zu halten,
vieles nicht selbst komponiert. So ist es ein Zufall, daß die beiden
Engel erst am Spätnachmittag aus ihrem Schatten treten, wenn der restliche
Garten sich bereits in die Dämmerung kuschelt. Der Garten wechsle mit
den Tageszeiten sein Gesicht, schwärmt Moser. Himmlisch, seufzt eine
Besucherin. Moser nickt: "Drum will ich nicht ins Paradies. Weil ich meines
schon habe."
Der Mensch traut seinen Augen nicht
Erfinder-Schicksal: Das Simple ist der
Industrie oft suspekt
Pretzen(pde)- Klimmzüge für die Wissenschaft.
Im Schweiße seines Angesichts macht sich Armin Witt stark für
gute Ideen. Er ist Stammgast in Josef Mosers Erfinder-Werkstatt und bemüht
sich nach Kräften, dem Pretzener bei der Vermarktung der Produkte zu
helfen. Schon legendär ist Mosers Einflügelrotor.
Der vertikale Windflügel dreht sich um die eigene Achse. Ohne externen
Antrieb überwindet er die Trägheit aus dem Stand. Was Moser selbst
überraschte: Das Prinzip funktioniert sogar in Innenhöfen. Eigentlich
als "Kunst am Bau" aufgestellt (von Moser allerdings durchaus als ernster
Beitrag zur alternativen Stromerzeugung erdacht), ziert sein schlanker Flügel
den Hof einer Privatbank in München und schnurrt bei scheinbarer Windstille
wie ein Hubschrauber. Das Simple scheint offenbar oft suspekt. Trotz eines
Gutachtens von der Uni Weihenstephan, so berichtete Moser den Mitgliedern
der Gesellschaft für außergewöhnliche
Ideen, die Mosers "kreatives Chaos" (Witt) begutachteten, sei das Interesse
der Industrie an seinem patentierten Gülle-Granulat verhalten. Dabei
sei sein wasserspeichernder Dünger sogar für die Wüste ideal,
weil er die Nachtfeuchtigkeit speichert. Der Biokleber, der die getrocknete
Gülle zusammenhält, sei nicht wasserlöslich. Das Granulat
zersetze sich langsam unter dem Einfluß von Bakterien. "Die Araber
wollen's nur für einen Golfplatz", bedauert Moser. Eine neue Entwicklung
ist die Verarbeitung von in mehreren Lagen geklebtem Zeitungspapier zu einem
superstabilen und ultraleichten "Baustoff", der sogar im Flugzeug- oder Schiffsbau
Verwendung finden könnte. Seine Stabilität gewinnt er durch seine
Struktur in Form von abgestumpften Pyramiden.
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E-Mail:
arminwitt@t-online.de
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