Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen

Handesblatt Nr. 25, Freitag / Samstag 4./5. 2. 2000, Seite 60

        Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen kümmert sich um verkannte Tüftler 

             In fast jedem Menschen steckt ein Erfinder

In München bemüht sich eine Art Robin-Hood-Organisation um verborgen gebliebene Genies. Den abenteuerlichen Entwicklungen steht das Patentamt aber meist skeptisch gegenüber. 

          Von Chris Löwer 

MÜNCHEN - "In jedem Menschen steckt ein Erfinder. Es sei denn, er ist verbeamtet."
Wenn Armin Witt zürnt, dann richtig. Und wenn er in Rage gerät, dann redet er über
verhinderte Erfindungen. Sein Aufregerthema Nr. 1. Für Beamte sei die Büroklammer
das wichtigste Arbeitsmittel, weil sich mit ihr Vorgänge abheften ließen. Für
schöpferische Menschen hingegen sei die Klammer unter Umständen ein wichtiges
Hilfsmittel: "Damit lassen sich Fingernägel und Vergaserdüsen reinigen, die Digitaluhr
einstellen, Schuhe notdürftig schnüren, Klingelknöpfe arretieren, Löcher bohren, kurz:
jegliche Form von DIN-Norm überwinden." 
Normen überwinden, das Neue denken und umsetzen. Darum geht es. Deshalb hat
der Münchner die "Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen" gegründet - eine Art
Robin Hood-Organisation für verkannte und verhinderte Tüftler. "Erfinder werden
unterdrückt und boykottiert. Das war schon immer so und bleibt auch so", ärgert sich
Witt. Passend ist sein erstes Buch betitelt mit "Das Galilei Syndrom - Unterdrückte
Erfindungen und Entdeckungen". Der Journalist und Autor fügt hinzu: "Ich bin froh, dass
ich kein Erfinder bin, sonst wäre ich längst ruiniert." 
Dafür nimmt er sich ihrer Sache an - gern auch polemisch, wenn es um Großindustrie und Patentamt geht. Einmal im Monat bringt er alle zusammen: Erfinder und Forscher, die über Novitäten referieren und deren Kritiker, Fachleute, Patentanwälte und Investoren. 
Dabei gehe es nicht darum, auf die Schnelle eine Ideen-Show zu präsentieren,
sondern Neuigkeiten Tailliert vorzustellen und kritisch auszuleuchten. "Der Erfinder
steht auf dem Prüfstand." Außerdem sammelt die Gesellschaft außergewöhnliche
Ideen und stellt sie ins Internet. 
Da ist zum Beispiel der Einflügelrotor von Josef Moser aus Erdingen. Ein einarmiges
Windrad, das sich um die eigene Achse dreht. Geräuscharm und effizient gewinnt es
Energie und hält wegen seiner verringerten Angriffsfläche selbst starken Stürmen
stand. Was Moser als alternative Energiegewinnungsmethode ausgetüftelt hat,
dümpelt heute im Hof einer Münchner Bank vor sich hin - als Kunst am Bau. Eine Idee
im kostspieligen und unübersichtlichen Patentamt-Papierwust erstickt. 
Juristen maßten sich auch auf technischem Gebiet Urteilsvermögen an, das sei die
Crux, der Exitus für viele Erfindungen, meint Witt: "Der Erfinder wird mit Paragraphen
zur Strecke gebracht." Die alte Klage trifft auch die Behäbigkeit der Behörden. Bis
Patente urkundlich geschützt sind, vergehen gut zwei Jahre. Gerade mit Blick auf
Gedankenblitze im Bereich neuer Medien erscheint das grotesk. 
Meldungen, nach denen die Zahl der Patentanmeldungen in Deutschland seit langem
wieder steigt, legen falsche Schlüsse nahe: Tatsächlich sinkt die Zahl der
Patenterteilungen, auf die es letztlich ankommt. Prüfer stolpern dem
Erfindungsreichtum hinterher. Hinzu kommt die Streichungen staatlicher Mittel für das
Deutsche Patentamt. Und das Patentrecht ist so alt wie das Amt: 50 Jahre. Je
wichtiger in einer globalisierten Welt die Patente werden, desto schwieriger sind sie
zu erwerben. Ein Fortschrittsblocker, findet Witt. 
Mit dem Otto-Motor macht er kurzen Prozess: "Das ist eine alte komplizierte
technische Krücke, an der seit über hundert Jahren herumgedoktert wird, um
technischen Fortschritt vorzugaukeln." Der Antrieb sei reine Energieverschwendung.
Die inzwischen 38 Jahre alte Alternative sei der: Stelzer-Motor. Verschleißfrei und
hochverdichtet. Der Erfinder, Frank Stelzer, liegt seit Jahren mit Patentprüfern und
Automobilherstellern im Clinch, die ihm allenfalls eine Nischenanwendung für sein
kompaktes und billig herzustellendes Triebwerk zusprechen wollen. 
Klaus-Jürgen Bernau aus Brandenburg hat schon öfter die Erfahrung wie viele seiner
Erfinderkollegen gemacht: große Unternehmen können oder wollen ihren Erfindungen
keine Chance geben. Bernau hat bereits vor 30 Jahren einen Einarmscheibenwischer
für Autos entwickelt, patentieren lassen und großen Autoherstellern angeboten. Kein
Interesse. Nach vier Jahren konnte er das Patent nicht mehr halten. Heute schaben
über fast alle Mercedes-Windschutzscheiben Einarmwischer. Andere Hersteller wie
Fiat zogen nach. 
In Berlin hat sich zur Verbesserung des Kontaktes zwischen Erfinder und Unternehmen
das Internetforum "Innovation Market" gegründet
(www.exchange.de/innovationmarket). Die Idee: besserer Austausch, aber keinen
Ideenklau. Auch wenn Witt stets Gedankendiebstahl wittert, aussperren will er die
Industrie nicht. Viele ihrer Vertreter markieren sich die Auftritte "Gesellschaft für
außergewöhnliche Ideen" in ihrem Kalender. "Die können sich doch gern bedienen,
nur sollen sie für die Ideen auch zahlen". 
 

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E-Mail: arminwitt@t-online.de
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